Zusätzliche Erklärungen zur Sichtweise – Dilgo Khyentses Rat an die Ngagpas von Rebkong (Auszug 3)

Der wichtigste Schlüsselpunkt unter diesen Anweisungen ist die Bedeutung von dem, was „Sichtweise als die untrennbare Wahrheit von Reinheit und Gleichheit“ genannt wird. Wenn man das leicht verständlich erklärt, bedeutet das: Die fünf Elemente des äußeren Behälters der unbelebten Welt sind die fünf Mutter-Gefährtinnen. Die fünf Skandha-Anhäufungen des Inhalts der Lebewesen darin sind die fünf Familien-Buddhas. Die (vier) Sinnesorgane, (vier) Sinnesbewusstseine, (vier) Sinnesobjekte und (vier) Zeiten sind die acht männlichen und weiblichen Bodhisattvas. Die vier Sichtweisen[1], die vier (des) Körpers und reines Bewusstsein[2] – sie verweilen schon seit jeher als die drei Sitze, das Gottheiten-Mandala der Hundert Friedvollen und Zornvollen. Wir aber kennen die Essenz nicht und sind getäuscht – gerade jetzt erkennen wir nicht den Grundzustand, und das ist Leiden, Existenz und Samsara. Wenn wir den natürlichen Zustand erkennen, wie er ist, ist es Reinheit und Nirwana. Reinheit-Nirvana und Unreinheit-Samsara sind hinsichtlich Annehmen und Ablehnen nicht verschieden. Es wird gelehrt, dass sie gleichermaßen eins in der Dharma-Natur sind. Um dies zu erkennen, meditiert man entsprechend dem Praxismanual derjenigen Meditationsgottheit der Friedvollen und Zornvollen, auf das man sich stützt, den äußere Behälter der fünf Elemente als reines Land und Palast und den Inhalt darin, die fünf Skandhas, als die Gottheiten der fünf Familien, und rezitiert das Mantra (der Meditationsgottheit). All das ist die Einheit nicht-dualer Erscheinung-Leerheit, die Natur der Weisheit großer Glückseligkeit und nicht der karmische Seinsstrom eines gewöhnlichen Wesens. Wenn man dies versteht, dann wird man, wie im Guhyagarbha-Tantra geschrieben steht, „erkennen, dass Behälter, Inhalt und Seinsströme rein sind.“ Besonders deutlich wird das im Praxismanual der Muttergefährtin (Yumkha) des Longchen Nyingthig, wo unter anderem gelehrt wird: „Alle Erscheinung ist die Weite der fünf Mutter-Gefährtinnen༔ alle Existenz ist das Mandala der Dakinis༔[3]“ Es ist wichtig, das zu verstehen!

Um diese Sichtweise zu erkennen, üben wir uns in den vier Gedanken, die den Geist von Samsara abwenden, so wie sie in den Kommentaren von Jamgön Mipham Rinpoche und anderer zu den Vorbereitenden Übungen von Mindröling und Longchen Nyingthig gelehrt werden. Wir machen die Vorbereitenden Übungen der fünfmal oder fünfzehnmal 100.000 Wiederholungen von Zuflucht, Erleuchtungsgeist usw. Indem wir uns dann in der Praxis der hauptsächlichen Gesichtspunkte der jeweiligen Kommentare und Wurzeltexte üben und ihre Schlüsselpunkte anwenden, werden wir sie verstehen.

Allgemein gesprochen bin ich selbst weder gelehrt noch verwirklicht. Und ein gewöhnlicher Mensch ohne jegliche erleuchteten Qualitäten eines kompetenten Lamas, der seinen eigenen Geist nicht befreit hat, sollte anderen keinen Praxiserklärungen geben. In der Vergangenheit habe ich aber bei mehr als fünfzig heiligen, gegenüber keinem Praxissysteme voreingenommenen verehrten Personen gelernt und alle Tantras mit ihren Ermächtigungen und Dharma-Lehren erhalten. Ihre Bedeutung habe ich für diejenigen, die wenige Belehrungen gehört haben, niedergeschrieben. Wenn ihr diesen mündlichen Rat anwendet, werdet ihr mit dem Dharma übereinstimmen und ihr werdet aus euch selbst heraus eine wirkliche Verbindung zum Dharma erlangen, ihn mit euren Augen sehen und seine Worte hören. Kurz gefasst, dies ist ein Rat für alle Hohen und Niedrigen in der Nyingma Schule der früheren Übersetzung, die den Titel Ngagpa tragen. Obwohl sie schon lange Zeit hier sitzen und viele Ermächtigungen und Dharma-Lehren erhalten haben, hatten sie aber darüber hinaus keine Erklärungen. Verbreitet deshalb diesen Text an alle, und es ist sehr wichtig, dass alle sich so eifrig wie möglich in Übereinstimmung mit seinem Inhalt bemühen!

Obwohl es allgemein gesprochen viele sogenannte Ngagpas gibt, sind Ngagpas, die gemäß dem Mantrayana handeln, selten. Obwohl ich kein kompetenter Ngagpa bin, habe ich den Dharma der tantrischen Wurzeltexte ein wenig erklärt bekommen. Indem ich alle Schlüsselpunkte, die ich kenne, als Text niedergeschrieben habe, oh ihr Ngagpas, macht dies zum Kern eurer Praxis.


[1] Die vier Sichtweisen sind die vier männlichen Zornvollen

[2] Das Mentalbewusstsein ist Samantabhadra

[3] Erscheinung ist hier ein anderes Wort für die äußere Welt, Existenz für die sich darin befindlichen Wesen.


Kommentare

Eine Antwort zu „Zusätzliche Erklärungen zur Sichtweise – Dilgo Khyentses Rat an die Ngagpas von Rebkong (Auszug 3)”.

  1. […] seinem Rat an die Ngagpas von Rebkong in den vorherigen beiden Einträgen auf diesem Blog (hier und hier): Nämlich die in unserer Nyingmapa-Schule als allgemein gültig geltende Ansicht, dass die […]

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